Montag, 15. Dezember 2003
Europa in schlechter Verfassung: "So? Nein!"
felwing, 05:03h
Veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau vom Donnerstag, 13. Dezember 2003
Im Juni 2004 wählen wir das neue Europaparlament. Davor werden die Weichen gestellt für eine "Verfassung von Europa". Nach dem bislang vorliegenden Entwurf wird Europa nicht friedlicher, nicht sozialer und nicht demokratischer. Das neoliberale Europa der Konzerne wird gestärkt, die Union umgebaut zur weltweiten militärischen Interventionsmacht.
Nationale Regierungen müssen dann weiter aufrüsten, ihr Militär ständig modernisieren: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." (Art. I-40). Ein "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" wird "zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors" durchsetzen (III-212). Durch Aufrüstung und militärische Forschung auf höchstem Ausgabenniveau werden die öffentlichen Kassen bis in die Gemeinden aller Einzelstaaten weiter geschröpft.
Die Prinzipien des Neoliberalismus erhalten Verfassungsrang. In den "Zielen der Union" ist zwar beschönigend noch die Rede von einer "in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität." (I-3) Im konkreten Politikteil wird dann aber Klartext geredet von der "Festlegung" auf den "Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb." (III-69) Die einzelstaatlich gewährleisteten Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, auch die beschworene Sicherung der "kulturellen Vielfalt", einschließlich der künstlerischen (I-3), werden ganz im Sinne der WTO weiter relativiert. (III-55)
Beschäftigungspolitik wird den "Grundzügen der Wirtschaftspolitik" untergeordnet (III-100), geprägt durch die einseitige Orientierung der Zentralbank am Ziel der "Preisstabilität" (I-29) und durch den unveränderten "Stabilitätspakt" (III-76). Nur die indirekten Steuern sollen harmonisiert werden. (III-62) Nicht vorgesehen ist die überfällige Angleichung direkter Steuern, besonders der Unternehmenssteuern, womit der ruinöse "Abwärtswettbewerb" bei staatlichen Einnahmen und Finanzierung öffentlicher Aufgaben aufzuhalten wäre.
Die überfällige und viel beschworene Demokratisierung der Europäischen Union bleibt wieder aus. Die Aufnahme der Grundrechte-Charta und die vorsichtige Aufwertung des Europaparlaments sind zwar zu begrüßen. Von den Grundprinzipien einer demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung bleibt der Entwurf aber weit entfernt. Das Europaparlament darf den Kommissionspräsidenten nicht wirklich wählen, nur über Vorschläge des Ministerrats abstimmen. (I-26) Auch wird ihm das ureigene Recht eines jeden Parlaments zu eigenen Gesetzesinitiativen weiter vorenthalten
Die vorgeschlagene Verfassung darf so nicht verabschiedet werden! Wir rufen politische Parteien, insbesondere SPD, Grüne und PDS, Gewerkschaften, Kirchen, globalisierungskritische Initiativen, Friedensbewegung, Künstlerinnen und Künstler auf: Sagt "nein" zu diesem Verfassungsentwurf! Mobilisiert euren Widerstand dagegen auf Straßen und Plätzen, in den Betrieben und Medien, auch in den Parlamenten! Fordert mit uns eine Entscheidung durch die Bevölkerung selbst - wie in anderen Ländern der EU!
Nutzen wir so das Europa-Wahljahr, um diesen Entwurf zu kippen:
Für ein friedliches, ein soziales und ein demokratisches Europa!
Unterzeichner:
Prof. Dr. Norman Paech (Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik)
Konstantin Wecker (Liedermacher, KgK (Künstlerinnen u Künstler gegen Krieg))
Pater Gregor Böckermann (Ordensleute für den Frieden, BgB (Bündnis gegen Bankenmacht)
Reinhard Mey (Liedermacher, KgK)
Dr. Manfred Maurenbrecher (Liedermacher, KgK)
Prof. Dr. Manfred Wekwerth (Regisseur)
Dr. Diether Dehm (Autor, KgK)
Viktor Kalla (Betriebsratsvorsitzender Frankf. Rundschau, BgB)
Klaus Höpcke (Journalist)
Sahra Wagenknecht (PDS-PV-Mitglied)
Heidrun Hegewald (Malerin, KgK)
Corinna Geis (BgB)
Prof. Dr. Christa Luft (Publizistin)
Dr. Hans Modrow (PDS-Ehrenvorsitzender)
Prof. Dr. Fritz Vilmar (FU-Berlin)
Dr. Detlef Hensche (Publizist)
Leo Mayer (stellvertr. Betriebsratsvors. Siemens)
Dr. Helmuth Markov (MdEP, PDS)
Prof. Dr. Frank Deppe (Uni Marburg)
Prof. Dr. Gerhard Stuby (Uni Bremen)
Sabine Leidig (Geschäftsführerin Attac Deutschland)
Hugo Braun (Koordinierungskreis Attac Deutschland)
Eric Lobach (Geschäftsführung ver.di Jugend NRW)
Norbert Kozicki (Sozialwissenschaftler, Bezirksvorstand ver.di-
Herne, Sprecher Herner Friedensinitiative)
Anne Allex (politische Wissenschaftlerin, Berlin, Vorstand im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)), Express-Redaktion (Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit)
Frederico Elwing (Friedensplenum/Antikriegsbündnis Tübingen e.V.)
Prof. Dr. Edeltraut Felfe (Juristin, Greifswald)
Im Juni 2004 wählen wir das neue Europaparlament. Davor werden die Weichen gestellt für eine "Verfassung von Europa". Nach dem bislang vorliegenden Entwurf wird Europa nicht friedlicher, nicht sozialer und nicht demokratischer. Das neoliberale Europa der Konzerne wird gestärkt, die Union umgebaut zur weltweiten militärischen Interventionsmacht.
Nationale Regierungen müssen dann weiter aufrüsten, ihr Militär ständig modernisieren: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." (Art. I-40). Ein "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" wird "zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors" durchsetzen (III-212). Durch Aufrüstung und militärische Forschung auf höchstem Ausgabenniveau werden die öffentlichen Kassen bis in die Gemeinden aller Einzelstaaten weiter geschröpft.
Die Prinzipien des Neoliberalismus erhalten Verfassungsrang. In den "Zielen der Union" ist zwar beschönigend noch die Rede von einer "in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität." (I-3) Im konkreten Politikteil wird dann aber Klartext geredet von der "Festlegung" auf den "Grundsatz der offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb." (III-69) Die einzelstaatlich gewährleisteten Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, auch die beschworene Sicherung der "kulturellen Vielfalt", einschließlich der künstlerischen (I-3), werden ganz im Sinne der WTO weiter relativiert. (III-55)
Beschäftigungspolitik wird den "Grundzügen der Wirtschaftspolitik" untergeordnet (III-100), geprägt durch die einseitige Orientierung der Zentralbank am Ziel der "Preisstabilität" (I-29) und durch den unveränderten "Stabilitätspakt" (III-76). Nur die indirekten Steuern sollen harmonisiert werden. (III-62) Nicht vorgesehen ist die überfällige Angleichung direkter Steuern, besonders der Unternehmenssteuern, womit der ruinöse "Abwärtswettbewerb" bei staatlichen Einnahmen und Finanzierung öffentlicher Aufgaben aufzuhalten wäre.
Die überfällige und viel beschworene Demokratisierung der Europäischen Union bleibt wieder aus. Die Aufnahme der Grundrechte-Charta und die vorsichtige Aufwertung des Europaparlaments sind zwar zu begrüßen. Von den Grundprinzipien einer demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung bleibt der Entwurf aber weit entfernt. Das Europaparlament darf den Kommissionspräsidenten nicht wirklich wählen, nur über Vorschläge des Ministerrats abstimmen. (I-26) Auch wird ihm das ureigene Recht eines jeden Parlaments zu eigenen Gesetzesinitiativen weiter vorenthalten
Die vorgeschlagene Verfassung darf so nicht verabschiedet werden! Wir rufen politische Parteien, insbesondere SPD, Grüne und PDS, Gewerkschaften, Kirchen, globalisierungskritische Initiativen, Friedensbewegung, Künstlerinnen und Künstler auf: Sagt "nein" zu diesem Verfassungsentwurf! Mobilisiert euren Widerstand dagegen auf Straßen und Plätzen, in den Betrieben und Medien, auch in den Parlamenten! Fordert mit uns eine Entscheidung durch die Bevölkerung selbst - wie in anderen Ländern der EU!
Nutzen wir so das Europa-Wahljahr, um diesen Entwurf zu kippen:
Für ein friedliches, ein soziales und ein demokratisches Europa!
Unterzeichner:
Prof. Dr. Norman Paech (Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik)
Konstantin Wecker (Liedermacher, KgK (Künstlerinnen u Künstler gegen Krieg))
Pater Gregor Böckermann (Ordensleute für den Frieden, BgB (Bündnis gegen Bankenmacht)
Reinhard Mey (Liedermacher, KgK)
Dr. Manfred Maurenbrecher (Liedermacher, KgK)
Prof. Dr. Manfred Wekwerth (Regisseur)
Dr. Diether Dehm (Autor, KgK)
Viktor Kalla (Betriebsratsvorsitzender Frankf. Rundschau, BgB)
Klaus Höpcke (Journalist)
Sahra Wagenknecht (PDS-PV-Mitglied)
Heidrun Hegewald (Malerin, KgK)
Corinna Geis (BgB)
Prof. Dr. Christa Luft (Publizistin)
Dr. Hans Modrow (PDS-Ehrenvorsitzender)
Prof. Dr. Fritz Vilmar (FU-Berlin)
Dr. Detlef Hensche (Publizist)
Leo Mayer (stellvertr. Betriebsratsvors. Siemens)
Dr. Helmuth Markov (MdEP, PDS)
Prof. Dr. Frank Deppe (Uni Marburg)
Prof. Dr. Gerhard Stuby (Uni Bremen)
Sabine Leidig (Geschäftsführerin Attac Deutschland)
Hugo Braun (Koordinierungskreis Attac Deutschland)
Eric Lobach (Geschäftsführung ver.di Jugend NRW)
Norbert Kozicki (Sozialwissenschaftler, Bezirksvorstand ver.di-
Herne, Sprecher Herner Friedensinitiative)
Anne Allex (politische Wissenschaftlerin, Berlin, Vorstand im Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)), Express-Redaktion (Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit)
Frederico Elwing (Friedensplenum/Antikriegsbündnis Tübingen e.V.)
Prof. Dr. Edeltraut Felfe (Juristin, Greifswald)